Wir haben erfahrn, dass man heut vor 15 Jahr`n ….

15 Jahre Circus Charivari – das musste gefeiert werden! Am 14. November 2021 fand in der großen Halle des Vereins Lübeck 1876 die große Geburtstagsgala mit über 80 wunderbaren kleinen und großen Akteur:innen vor einem begeisterten Publikum statt.

Zugegeben, es war nicht ganz einfach. Eine Veranstaltung mit insgesamt 250 Personen zu diesem Zeitpunkt der Pandemie mit gutem Gefühl durchzuführen, stellte eine gewisse Herausforderung dar, die Dank einer Vielzahl helfender Hände und einer großartigen Disziplin aller Beteiligten perfekt bewältigt wurde. Und es hat sich gelohnt! Insgesamt 9 Gruppen stellten in dem 1,5 stündigen Programm ihr Können dar. (Bilder in der Galerie)

Zum Auftakt bildeten alle 83 Artist:innen eine lange, vierstöckige Menschenpyramide, die als eine riesige rote Wand voller Circus-T-Shirts und strahlender Gesichter den Startschuss für die Geburtstagsshow gab. Es ging los mit der jüngsten Truppe. Die Freitagsgruppe, die von zwei frischgebackenen Jugendleiter:innen betreut wird, war erst im September gegründet worden und überzeugte trotz der kurzen Vorlaufzeit mit tollen Nummern auf Tonnen und unterschiedlich großen Kugeln. Es folgte die Mittwochsgruppe, die ebenfalls von zwei jungen Trainer:innen angeleitet wird, bei der die Akteur:innen auf Rolabolas (einem Balanciergerät, das in seiner einfachsten Form aus einem zylindrischen Rohr und einem Brett besteht) standen und mit Bällen, Tüchern und Ringen kleine Kunststücke vorführten. Anschließend ging es in die Luft. So sagt man es jedenfalls unter Circusmenschen. Mit poetischen Bildern zeigten 10 Mädchen und Jungen der ersten Donnerstagsgruppe solo oder auch synchron ihr Können an den Trapezen und am Ring. Die zweite Dienstagsgruppe riss das Publikum dann mit coolen Flugrollen, Flic-Flacs und entsprechender Musik wieder aus ihren Träumen und brachte die Halle zum Beben.

Vom Orient zum Wilden Westen

Eine gute Show lebt auch von Abwechslung und so verzauberte die erste Montagsgruppe das aufgeheizte Publikum im Anschluss mit ihrer Fakirnummer für kurze Zeit in die Welt von 1001 Nacht. Mutig knieten, saßen oder (hand)standen die Akteur:innen auf Nägeln oder Glasscherben. Vom Orient ging es dann direkt in den Wilden Westen. Nicht auf Pferden, sondern mit Seilen jeder Größe kam die zweite Montagsgruppe in die Halle gesprungen. Alleine mit einem kleinen Seil, zu dritt mit einem mittleren Seil, alleine mit einem kleinen Seil in einem großen Seil – es war alles dabei, was man sich beim Seilspringen ausdenken kann. Und der Clou am Ende: Kaum jemand im Publikum hat erkannt, dass eine der Mitwirkenden blind ist und nur über ihr Gehör und den Zusammenhalt in der Gruppe agiert hat.

Das Staunen nahm und nahm kein Ende. Die erste Dienstagsgruppe erschien in feinstem Zwirn, mit Hut und Anzug oder in Rüschenkleidern auf ihren Einrädern, auf denen sie beeindruckende Formationen bildeten und sogar Hindernisse, wie zum Beispiel eine große Holzwippe, überwanden. Eine der letzten Nummern vor dem Finale war die schwarz-weiße Partnerakrobatik der zweiten Donnerstagsgruppe, ebenfalls von Jungleiter:innen betreut, aus jeder der beeindruckenden akrobatischen Figuren und Pyramiden sprach der Teamgeist dieser tollen Gruppe. Und es blieb schwarz-weiß: Mit schwarzen Jeans, weißen Hemden und Hosenträgern jonglierten sich die sechs Jugendlichen der „selbstverwalteten“ Dienstagsjongleur:innengruppe mit Bällen, Hüten und Keulen in die Herzen des Publikums.

Mit dem großen Finale, bei dem alle Mitwirkenden noch einmal gemeinsam auf der Bühne erschienen, mit Geschenken und einem Gedicht für unsere Circusdirektorin Trix und einem nicht enden wollenden Applaus ging diese wundervolle Gala zu Ende.

Das große Ganze mitgestalten

Es war eine großartige Show, die gezeigt hat, auf was für einer Bandbreite Circus seine Wirkung erzielt: Da waren die Anfänger:innen, die schon mit wenigen Mitteln und großer Ernsthaftigkeit ihr Können präsentierten, oder die großen Jugendlichen, die ordentlich Dampf in das imaginäre Zirkuszelt brachten. Da gab es äußerst empathische Jungtrainier:innen, die mit viel Geduld und großer Verantwortung mit dem Nachwuchs arbeiten oder Jugendliche, die mit Eigenständigkeit und sehr viel Engagement eine eigene Nummer hoher Qualität auf die Beine gestellt haben. Inklusion von Kindern und Jugendlichen, ob sie, wie die Seilspringerin, blind sind, Trisomie21 haben oder autistisch sind, gehörte bei Charivari schon zum Konzept, als es noch nicht in aller Munde war. Hier geht es nicht um eine Talentshow, sondern das Gemeinschaftserlebnis steht im Mittelpunkt.

Die Rückmeldungen zweier Circuseltern bringen es eigentlich am besten auf den Punkt:

Die Kinder und Jugendlichen sind ganz bei sich und strahlen. Sie schauen einander an, sie helfen sich aus und sie tun, was sie sich selbst gemeinsam überlegt haben. Im Circus ist Raum, an dem es Gelöstheit geben kann und wo gleichzeitig, jeder aus sich heraus die Verantwortung für das Ganze spürt. So entsteht ein wundervolles Gemeinschaftserlebnis, auf das jeder Einzelne stolz sein kann, weil er/sie ihren/seinen Teil dazu beigetragen hat.


Ich war ganz beseelt. Die Zeiten sind so schwer und die Aussichten so düster und dann kommt man auf diese Zirkusinsel voller Talent, voller toller Kinder und Jugendlicher, voller Charivari und plötzlich gibt es Hoffnung. Der Zirkus ist wirklich etwas sehr Besonderes.

Und auch Andrei, der Hausmeister des Vereins, blickt auf die Anfänge des Circus Charivari zurück:

Vor 15 Jahren, da war Trix hier ganz alleine und hat einfach begonnen… und jetzt das hier. Das ist doch unglaublich! Alle helfen, alle räumen auf, alle machen mit, alle sind engagiert, verantwortlich, einfach toll!

Und deshalb heißt es nicht zu Unrecht:

Wir haben erfahren,
dass man heut' vor ein paar Jahren
den Zeitpunkt günstig fand
und dich kurzerhand erfand.
Seitdem bist du auf der Welt.
Schön, dass es dir hier gefällt.
Alles Gute zum Geburtstag, lieber Circus Charivari

Josefin & Nina Greve

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