Deutsch-schwedisches Trainingscamp

Seit vielen Jahren schon pflegen wir eine Freundschaft mit der Cirkusskola Malmö, einem schwedischen Jugendzirkus. In den Jahren 2014, 2019 und 2022 führte uns unsere Tournee zu ihnen, und wir spielten jedes Mal vor ausverkauftem Haus in einem urigen Circus Rundbau: „Barnens Scen i Folkets Park“. Schon nach unserem zweiten Besuch bei ihnen entstanden Pläne für ein gemeinsames Trainingscamp, doch dann kam erstmal Corona und legte alles auf Eis. Nachdem wir nun im letzten Herbst wieder bei ihnen gastiert und neben drei Vorstellungen auch zwei wunderbare Trainingsabende mit ihnen genossen hatten, stand es für alle Beteiligten fest: wir sollten mehr gemeinsam machen!

Schnell konkretisierten sich diesmal die Pläne, und so reisten am 23. Februar mit der Fähre aus Trelleborg 19 Schwed*innen bei uns an. Zwei unserer Charivaris nahmen sie sogleich in Empfang und zeigten ihnen unser Vereinsheim. Zusammen mit der zweiten Donnerstagsgruppe wurden abwechselnd schwedische und deutsche Spiele gespielt, eigentlich als „Eisbrecher“, doch von Eis konnte gar keine Rede sein. Von vorne herein herrschte eine freundschaftliche und fröhliche Atmosphäre, und alle Teilnehmer*innen begegneten sich mit großer Offenheit.

Nach einem Abendessen in der Vereinsgastronomie ging es dann ins gemeinsame Training mit der Projektgruppe. Fast alle kannten sich schon von unserem Besuch bei ihnen im Herbst, so konnten alle gleich intensiv ins gemeinsame Training einsteigen. Anschließend wurde noch geplaudert, dann mussten die Charivaris, die ja am nächsten Morgen noch Schule hatten, nach Hause und die Schwed*innen, die morgens um 4 Uhr aufgestanden waren, fielen alsbald unten im Gymnastikraum in einen komatösen Schlaf:)

Am nächsten Morgen nach leckerem Frühstück in der Gastro, trafen wir uns zum Sightseeing mit mir als Stadtführerin. Den ganzen Vormittag erkundeten wir Lübecks Altstadt inklusive Dom Heiligen-Geist-Hospital und St.Jakobi. Besonders die vielen Gänge taten es ihnen an, nur das Wetter war schaurig. Mittags trafen sie sich mit einzelnen Charivaris zum gemeinsamen Pizzaessen und hatten dann noch Freizeit in Kleingruppen. Als kleine Stärkung gab es anschließend im Vereinsheim Kuchen, bevor dann auch alle deutschen Teilnehmer*innen eintrafen und wir nach kurzer Kennenlernrunde und intensiven Warm-Up ins gemeinsame Training starteten.

Sehr begehrt war unser neuestes Trainingsgerät: Strapaten. Diese spezielle Luftartistik hatten unsere Jugendlichen schon im Herbst in Malmö kennengelernt und mich überredet, ebenfalls solche anzuschaffen, was ich mit Hinblick aufs Trainingscamp und die Expertise der Schwed*innen auf diesem Gebiet dann auch tat. Diese Investition hat sich gelohnt. Es war höchst erstaunlich, wie schnell einige unserer Charivaris anspruchsvolle Kunststücke an diesem kräftezehrendem Gerät erlernten. Auch an vielen anderen Geräten wurde Neues geübt, wurde sich intensiv ausgetauscht und vieles ausprobiert. Später am Abend holte ich meine Gitarre heraus und wir sangen bei Kerzenschein deutsche, schwedische und englische Lieder. Unsere Singetradition wurde von den schwedischen Gästen mit Begeisterung aufgenommen, und es entstand eine sehr gemütliche und entspannte Stimmung. Am Samstag begeisterten uns die Schwed*innen mit ihrem durchchoreographierten Warm-Up zu Musik, anschließend wurde wieder intensiv trainiert. Um keinen „Hallen-Koller“ zu bekommen, machten wir nach dem Mittagessen einen langen Waldspaziergang durch den spektakulär überschwemmten Schellbruch. Wie es in Schweden üblich ist, zogen alle danach beim Eintreten ins Vereinsheim ihre Schuhe auf, um nichst schmutzig zu machen. Andere Sportler*innen, die ins Fitness-Studio gingen, staunten nicht schlecht, als da um die 60 Paar Schuhe feinsäuberlich aufgereiht im Gang standen:)

Überhaupt ging es sehr gesittet zu, Janine kam mehrmals aus der Gastro herüber, um zu schauen, ob wir überhaupt noch da wären, so leise und konzentriert war das ganze Camp!

Da sowohl bei uns als auch bei den Schwed*innen sehr viele vegetarisch oder vegan leben, hatte Janine sich extra ein vegetarisches Kochbuch besorgt und wir wurden vier Tage lang wunderbar verwöhnt. Sogar die Beschriftung war schwedisch und so genossen wir „Linsgryta“ und Pumpa-Lasagne“ und fühlten uns bestens versorgt.

Abends vor der Singerunde brachten Freddy, Mariella und Lillian uns noch Partytänze bei, die viele begeistert mittanzten. Am Sonntagmorgen gab es Aufwärmen zu ABBA-Klängen, und nach weiterer intensiver Übezeit hieß es „Open Stage“, und wir zeigten uns gegenseitig, was wir gelernt hatten. Besonders schön war es, dass gleich mehrere deutsch-schwedisch gemischte Nummern entstanden waren ( Akrobatik und Jonglage). Zwei Schwedinnen begeisterten uns mit einer perfekt auf die Musik choreographierten Diabolo-Nummer, und Lisa und ich konnten zeigen, dass es auch möglich ist, trotz Blindheit und gestauchtem Handgelenk noch einen tollen Circus-Auftritt zu präsentieren, in dem man kurzerhand zu zweit Diabolo spielt.

Bei der Feedbackrunde zeigte sich, dass knapp 60 deutsche und schwedische Jugendliche äußerst zufrieden und um viele tolle Erfahrungen reicher nach Hause gingen. Noch einmal wurde gesungen, noch einmal wild „Cotton Eye Joe“ getanzt, ein letztes Mal Janines Küche genossen, und dann hieß es Aufstellen fürs Gruppenbild und Abschied nehmen. Viele der Charivaris tragen schon seit längerem Trainingshosen mit dem Logo der Cirkusskola Malmö, und fast alle schwedischen Gäste kleiden sich im Lübeck 1876-Rot und tragen Charivari-Pullis oder T-Shirts, so ist auf dem Photo kaum zu erkennen, wer hier deutsch und wer schwedisch ist. Und das spielte in der Tat auch keine Rolle mehr. Wir haben definitiv eine sehr ähnliche Circus-Kultur, und wenn es Unterschiede gab, waren sie einfach nur bereichernd. Nächstes Jahr werden wir uns wohl gleich zweimal sehen: im Februar wieder zum gemeinsamen Trainingscamp bei uns in Lübeck und im Herbst wird Malmö wieder ein Tournee-Stop der Charivaris werden. Auf dass diese Freundschaft sich weiter entwickeln und vertiefen möge. Hej då und tack så mycket!

Trix Langhans (Fotos von Majlis Christiansen)

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