Skandinavien- Tournee

Mit unserem Stück „ Between us“ waren wir vom 18. bis 27. Oktober auf Tournee in Dänemark und Schweden. Im Prinzip ist so eine Circus-Tournee wie ein einziges großes Sozial-Experiment: packe 38 höchst unterschiedliche Menschen für zehn Tage auf engstem Raum zusammen, halte sie 24 Stunden am Tag zusammen und lasse sie täglich eine Höchstleistung vollbringen, nämlich die Performance eines Bühnenstücks mit Live-Musik angepasst auf immer neue Umstände, Lokalitäten und Ausfälle.Um es schon einmal vorweg zu nehmen: das Experiment ist mehr als gelungen. Alle 38 Teilnehmer*innen sind beglückt und mit unendlich reichen Erfahrungen im Gepäck wieder nach Hause zurück gekehrt, und wir haben sieben äußerst umjubelte Vorstellungen gemeistert.
Müde sind wir allerdings auch, und kaum ein Tag verlief ohne Zwischenfälle.

Das Abenteuer begann schon mit dem Packen des Busses am Abfahrtstag. Niemand konnte sich vorstellen, dass diese Unmenge an Gepäck, Requisiten, Instrumenten, Küchenutensilien und Verpflegung jemals in einen einzigen Reisebus nebst Anhänger passen würde. Doch unser bewährter Tournee-Busfahrer Ingo kennt seinen Bus wie seine Westentasche, füllte jeden noch so kleinen Hohlraum und behielt die Nerven. So konnte die Reise starten, und es war beste Stimmung an Bord.

Bei Ankunft in Holbaek passierte leider der erste blöde Zwischenfall: Mona stürzte im Dunkeln über eine Zeltabspannung und schlug sich an einer Steintreppe das Knie auf. Jakob verstauchte sich am nächsten Tag beim Spiel mit den Dänen das Handgelenk, beide mussten in ihren wichtigsten Nummern ersetzt werden. Das war sehr traurig für sie. Zugleich aber war es höchst beeindruckend, wie die Gruppe damit umging. In kürzester Zeit wurden Ersatzleute eingearbeitet bzw. Nummern umgestellt. Auch bei den weiteren Vorstellungen in Malmö, bei denen sich einmal Fiona den Fußzeh prellte und Leni mitten im Stück krankheitsbedingt ausfiel, reagierte die Gruppe immer sofort und äußerst professionell, so dass das Publikum nie bemerkte, dass gerade alles anders lief als geplant. Annalena übernahm souverän Monas Part in der Strapatennummer, Lovisa bezauberte das Publikum als Amor im Luftring, Leonid sprang als Jongleur ein und Matti tauschte mit Jakob die Rollen. So entstand das Stück immer wieder neu, und die Jugendlichen meisterten alle Herausforderungen mit Bravour.

In einem echten Circus-Zelt aufzutreten war ein großes Highlight dieses Projekts. Ganz so traumhaft wie es auf den Bildern aussieht, war es dann aber doch nicht. Es war fürchterlich kalt, die Tuchartistinnen rutschten fast an den feuchten Tüchern ab, die Schuhe der Seiltänzer*innen wurden stumpf von der Feuchtigkeit, der Boden war holprig für die Einradfahrer*innen, und die Band bekam ein Übermaß an elektrischer Ladung ab… Dennoch hatten wir zwei unvergessliche Vorstellungen, und die dänischen Gastgeber*innen waren hellauf begeistert.
Beim offenen gemeinsamen Training mit den dänischen Jugendlichen stellten wir schnell fest, dass uns sogar noch mehr verbindet als „nur“ Circus. Ähnlich wie wir lieben sie witzige Bewegungs-und Reaktionsspiele, haben feste Rituale vor ihren Vorstellungen und sind begeisterte Sänger*innen. So wurde nicht nur gemeinsam trainiert, sondern auch gespielt und gesungen.

Bei herrlichstem Wetter erkundeten wir außerdem in Kleingruppen Holbaek, genossen einen Theater-Workshop von Leonid, und abends wurde getanzt und auch wieder gesungen. Die Freundschaft mit dem Cirkus Kaephöj wird bestimmt weiter wachsen, und wir freuen uns schon auf ihren Gegenbesuch.

Über die Öresund-Brücke ging unsere Reise weiter nach Malmö. Das historische Circus-Gebäude „Barnens Scen i Folkets Park“ ist wohl der romantischte Auftrittsort aller Zeiten, ein Rundbau mit Tribünen und allerfeinster Licht-und Tontechnik. Es bereitet unglaubliche Freude, in so einem Ambiente aufzutreten. In einer fulminanten Abendvorstellung und zwei Vormittagsvorstellungen verzauberten die Charivaris ihr Publikum. Vor allem der Auftritt vor 180 Kita-Kindern war einfach nur herzerwärmend. Zu unserer großen Freude besuchte uns in Malmö auch Simon, ein ehemaliger Charivari, der selber zweimal mit auf Tournee war und mittlerweile seine Ausbildung zum Artisten an der Circus-Schule von Kopenhagen macht.
Neben Freizeit im Folkets Park und in der Stadt und einem weiteren Schauspiel-Workshop von Leonid gehörten ganz klar die drei gemeinsamen Trainings an der Cirkusskola Malmö zu den Highlights dieses Tournee-Stops. Mit dieser Cirkus-Schule verbindet uns bereits eine jahrelange Freundschaft, viele der Jugendlichen kennen sich mittlerweile auch privat, und so gab es überhaupt keine Hemmungen, miteinander in Kontakt zu treten und gemeinsam zu trainieren. Natürlich wurden auch wieder neue Circus-Techniken erkundet, so waren diesmal das Schwungseil und der chinesische Mast sehr spannend für uns. Aber auch in bewährten Techniken wie der Jonglage,der Akrobatik und an den Strapaten wurden wieder Tricks ausgetauscht und Neues erprobt. Unvergessen bleibt uns gewiss auch der Transport der Weichbodenmatten von der Circus-Schule zum Circus-Rundbau und am letzten Tag wieder zurück: die Matten wurden über bzw auf den Köpfen der laut singenden Charivaris durch die Straßen Malmös getragen: ein echter Hingucker!

Von Malmö brachte uns der Bus dann nach Ystad, von wo aus wir die Fähre nach Bornholm nahmen. Das Wetter war uns gnädig, so dass keine*r seekrank wurde. Ziemlich spät am Abend erreichten wir das ehemalige Schulhaus von Sandvig und standen vor der Herausforderung, noch in der Nacht die Technik einzurichten und das Rigging (Luftaufhängungen, Schlappseil-Abspannungen) vorzunehmen, damit am nächsten Morgen die Italienische Probe stattfinden konnte ( das ist eine Stellprobe, bei der immer Nummernanfänge, Umbauten und Abgänge geprobt werden, um das Stück an die neuen Bedinungen anzupassen).

Wie schon in Holbaek und in Malmö bewährte sich hier einmal mehr, dass wir mit Lilli, Friedrich und Leonid ein äußerst kompetentes und tourneeerfahrenes Team dabei hatten, es war einfach nur großartig, wie sie jede Herausforderung meisterten und dabei immer auch noch gute Laune behielten.
Überhaupt war es bemerkenswert, wieviele Mitreisende ( Teanager wohlbemerkt!) schon morgens gut gelaunt einen Morgentanz tanzten oder fröhlich irgendwelche Dinge riefen, und das obwohl wir sie auf Tournee zweimal um 6 Uhr, einmal um 7 Uhr und einmal gar um 5 Uhr 15 wecken mussten!
Aber man muss auch sagen, dass Pelle, unser Trompeter, wirklich ein toller Wecker war, und Wiebke, unser Bandcoach, verstand es auch auf beste Art und Weise mit musikalischen Improvisationen und poetischen Anwandlungen alle behutsam in den Tag zu holen:)

Auf Bornhom wurde erstmal ein Geburtstagsständchen geschmettert, denn Freyja wurde 16. Viel Zeit zum Feiern blieb leider nicht, denn es musste ja geprobt werden. Und nachdem wir am Nachmittag wieder eine tolle Vorstellung gemeistert hatten, wollten unzählige kleine dänische Kinder mit uns Circus machen. Mit großer Begeisterung schnappten sich unsere Artist*innen die Kinder, übten Wurfsalti und Pyramiden mit ihnen, und es war ein turbulentes und fröhliches Miteinander.
Später tagte dann noch der Circus-Rat ( alle Jugendlichen ohne die Erwachsenen), denn natürlich mussten noch Überraschungen und Extras für die letzte Vorstellung ( Dernieren-Gags) geplant werden. Am nächsten Morgen hatten wir endlich die Gelegenheit die wunderschöne Umgebung zu erkunden, manche wanderten zum Leuchtturm, andere vergnügten sich am Strand und später gab es einen weiteren tollen Impro-Theater-Workshop im Circus-Saal.

Die Derniere von „Between us“ war ergreifend schön. Sehr kreativ und witzig, zugleich aber ohne den eigentlichen Charakter des Stückes und seiner Nummern zu verändern, es war eine rundum gelungene und vom Publikum sehr umjubelte Vorstellung. Natürlich flossen danach Tränen, denn allen wurde bewusst, wie kostbar diese gemeinsame Zeit und das gemeinschaftlich entwickelte Stück war. In der Abschlussrunde konnten die Jugendlichen alles noch einmal Revue passieren lassen und einander mitteilen, wieviel ihnen dieses Projekt und das Miteinander in dieser Gruppe bedeuteten. Danach wurde gefeiert bis zum Umfallen. Das Küchenteam hatte uns einmal mehr bestens verpflegt, es wurde getanzt, gesungen und gelacht, spät nachts noch am Strand herum gesprungen, und kaum jemand schlief in dieser Nacht mehr als ein oder zwei Stunden…
Dennoch gelang es uns, früh morgens um 5 Uhr 15 noch zu packen, das Haus zu putzen und pünktlich nach Rönne zu fahren. Auf der Fähre fielen einige in einen „Komaschlaf“, andere waren aber schon wieder munter, lernten eine Pfadfindergruppe kennen und sangen begeistert mit ihnen die auch bei uns so populären Fahrtenlieder. Zurück in Lübeck kam es dann noch einmal zu einem sehr bewegendem Moment. Unser Busfahrer Ingo geht in Rente, und dies war seine letzte Fahrt. Er versicherte uns, dass er in seiner ganzen 45jährigen Laufbahn keine Gruppe lieber gefahren hätte als uns und dass er unsere Gemeinschaft absolut einzigartig findet. Wir stellten uns in einen großen Kreis und sangen für ihn „ Heute hier, morgen dort“, und es gab wohl niemandem, dem nicht die Tränen kamen, als wir unserem weltbesten Busfahrer hinterher winkten…

Wir danken allen Mitreisenden, allen Helfer*innen, unserem Küchenteam, unseren Förder*innen, den Stiftungen und den Gastgeber*innen für eine unvergessliche Tournee, für das Ermöglichen von wertvollen Erfahrungen, für Erlebnisse, die wir nie vergessen werden, für Inspiration, Kreativität, Flexibilität, Geduld und ganz viel Herzblut!

Trix Langhans

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Charivaris auf Tournee – Grüße aus Holbæk

Wir sind in Holbaek angekommen, haben das wunderbare Cirkushaus des ‚Børnecirkus Kæphøj’bezogen und genießen das Flair eines richtigen Cirkuszeltes. Der Cirkus Kæphøj hat netterweise seine Saison ‚verlängert’und sein Zelt für uns stehen lassen, so dass wir hier in Holbæk auftreten können. Vi takker alle mennesker fra Cirkus Kæphøj!

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Bild von Friedrich Rehren

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Charivaris auf Tournee – Wir sind dann mal weg!

Am Freitagnachmittag startete der Circus Charivari auf seine Skandinavien-Tournee. Auch dieses Mal schaffte es Tournee-Busfahrer Ingo das ganze Gepäck in den Bus und Anhänger zu schichten, so dass neben Balancierkugel, Instrumenten, Matten, Licht- und Tontechnik, Kostümen, Einrädern, Seilanlage, Lebensmitteln und Küchenausrüstung auch noch die 37 Charivaris mit ihrem persönlichen Gepäck einen Platz fanden.
Wer die Show verpasst hat oder noch einmal sehen möchte, muss jetzt hinterherfahren….

Samstag, 19. Oktober 18:00 Holbæk, Circus Kaephoej
Sonntag, 20. Oktober 16:00 Holbæk, Circus Kaephoej
Dienstag, 22. Oktober 19:00 Malmö, Barnens Scen
Mittwoch, 23. Oktober 9:30 Malmö, Barnens Scen (Schulvorstellung)
Freitag, 25.Oktober 15:00, Bornholm Sandvik
Samstag, 26.Oktober 15:00, Bornholm Sandvik

Gute Fahrt!
(Drohnenfotos von Dominik Steinhagen)

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„Between us“ – Wiederaufnahme vor Tourneestart

Nach vier umjubelten Vorstellungen ist unser Stück „ Between us“ in die Sommerpause gegangen. Nun wird es wieder aufbereitet und „tourneefein“ gemacht.

Alle, die uns im Sommer verpasst haben oder unglücklicherweise zu denen gehörten, die wegen Überfüllung nicht mehr hinein gekommen sind, und alle, die uns ein weiteres Mal sehen wollen, bevor wir auf unsere große Fahrt gehen, haben die Möglichkeit dazu am 12. und 13. Oktober.

Diesmal gibt es einmalig auch einen Kartenvorverkauf am 10.Oktober 18-19 Uhr direkt vor Ort.

Lasst Euch von unserem Stück verzaubern. „Between us“ zeigt viele berührende und beeindruckende Circus-Nummern, kleine Geschichten über menschliche Beziehungen und vor allem und immer wieder eines: ein beispielloses soziales Miteinander, das gewissermaßen die Kerndisziplin des Circus Charivari ist.

Herzlich Willkommen zu „Between us“!

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Between us – Bilder vom Premierenwochenende

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Between us

Seit einem halben Jahr entwickelt die Projektgruppe ein neues Circus-Stück, das von zwischenmenschlichen Beziehungen handelt. Es „menschelt“ in der Luft und am Boden, ob beim Streit auf dem Drahtseil, dem akrobatischen Kampf ums Territorium oder unter Einradfahrer*innen, die zunächst mehr ihr Handy als ihre Mitmenschen beachten. In anderen Nummern geht es um Freundschaft, um Individualität oder um Liebe. Nebenbei räumen die Jugendlichen auch noch mit Geschlechter-Klischees auf. Mal temperamentvoll, mal poetisch, mal mit einem humorvollen Augenzwinkern zeigen die 20 Jugendlichen im Alter von 12 bis 16 Jahren, dass sie vor allem eine Disziplin meisterhaft beherrschen: ein beispielloses soziales Miteinander.

Die inklusive Gruppe wird musikalisch auf wunderbare Weise unterstützt durch die Charivari-Live-Band: sieben Musiker*innen zwischen 12 und 19 Jahren, die den Saal rocken werden.

Die Musik schrieb Wiebke Hahn, Regie führen Trix Langhans und Rainer Rudloff.

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Auszeichnung beim Wettbewerb „Demokratie bewahren und entwickeln“

Am 3.6. wurde unser Artistik-und Musik-Ensemble 2024 im Audienzsaal des Lübecker Rathauses ausgezeichnet. Wir gehören zu den Preisträgern des Wettbewerbs „Demokratie bewahren und entwickeln“ der Drägerstiftung anlässlich ihres 50jährigen Jubiläums.

Gemeinsam mit unseren Circus-Sprecherinnen Lotta und Lovisa nahmen wir am Festakt teil. Unser Bürgermeister Jan Lindenau sprach die Grußworte, die Auszeichung der Projekte übernahm Stefan Dräger persönlich, und die sehr beeindruckende Laudatio hielt kein Geringerer als unser ehemaliger Bundespräsident Joachim Gauck!

Wir fühlen uns sehr geehrt und nehmen diese Auszeichnung und Joachim Gaucks eindringliche Worte als erneute Motivation, immer wieder aufs Neue in unseren Projekten Jugendliche ganz unmittelbar Teilhabe, Selbstwirksamkeit und demokratische Prozesse erfahren zu lassen.

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Deutsch-schwedisches Trainingscamp

Seit zehn Jahren verbindet uns eine Freundschaft mit der Cirkusskola Malmö, einem Jugendzirkus, der eine ganz ähnliche Trainingsstruktur- und Kultur hat wie wir. 2014, 2019 und 2022 waren wir bei Ihnen zu Gast, haben gemeinsam trainiert und sind in Malmö im historischen Circus-Rundbau „Barnens Scen“ aufgetreten. Im letzten Jahr waren die schwedischen Circus-Schüler*innen endlich auch zum ersten Mal bei uns zu Gast. Und am Ende des viertägigen Besuchs bei uns waren sie so begeistert, dass sofort eine Neuauflage dieses Formats beschlossen wurde.

So ließ sich auch in diesem Jahr ganz unkompliziert und ohne allzu großen Aufwand ein erneutes deutsch-schwedisches Trainingscamp in unseren Hallen organiseren.

Am 22. Februar holten wir 22 gut gelaunte Schwed*innen an der Bushaltestelle ab und begleiteten sie zum Vereinsheim, wo sie zunächst den Gymnastikraum bezogen und ihre Schlafplätze einrichteten. Wie in Schweden üblich, reihten sie sogleich ihre Straßenschuhe feinsäuberlich im Flur auf, um ja nichts schmutzig zu machen, und auch sonst zeichneten sie sich durch sehr vorbildliches Verhalten und eine große Disziplin aus. Nach einem Frühstück in der Vereinsgastronomie am Freitagmorgen fuhren sie in die Stadt, um Lübeck zu erkunden. Einzelne Charivaris, die schon im Vorjahr mit ihnen Freundschaft geschlossen hatten, trafen sie dort am Mittag und zeigten ihnen ihre Lieblingsecken.

Um 17 Uhr 30 startete dann das offizielle Trainingslager mit 38 Charivaris und 22 Cirkusskola- Gästen. Der schwedische Circus-Schuldirektor Måns, seine Trainerin Amanda und ich waren uns einig darin, dass wir von vorneherein dafür sorgen wollten, dass sich die schwedischen und deutschen Artist*innen möglichst viel mischen sollten und wir für maximalen Austausch und Begegnung sorgen wollten. Schon die ersten Spiele brachen das Eis und brachten alle Teilnehmenden gleich in ein fröhliches und unbefangenes Miteinander. Unsere Gäste begeisterten sich für unsere „Klassiker“ wie Mc Donalds oder das Haifisch-Spiel, während die Charivaris euphorisch die schwedischen Spiele aufnahmen. Nachdem alle das peppige schwedische Aufwärmprogramm nach Musik mitgemacht hatten, verteilten wir uns zum freien Training in den unterschiedlichen Disziplinen auf beide Hallen. Schon wurden erste Tricks ausgetauscht, neue Kunststücke beigebracht, erste Gespräche geführt. Nach einem leckeren Abendessen von der Vereinsgastronomie, brachten die Charivaris unserem Besuch Partytänze wie „Mr Duck“ und „Cotton Eye Joe“ bei, und die schwedischen Gäste nahmen auch begeistert an unserer traditionellen Singerunde bei Kerzenschein teil. Es dauerte lange, bis an diesem Abend Ruhe herrschte, dennoch krochen alle am nächsten Morgen motiviert und voller Tatendrang aus den Schlafsäcken. Nach sehr witzigen neuen Spielen genossen wir erneut das fetzige Warm-Up der Schwed*innen. Dann gab Måns, der ein professioneller Zauberkünstler ist, den Charivaris einen Zauberworkshop, bei dem sie Streichhölzer und Haargummis „verschwinden“ ließen, während ich einige Schwed*innen, in meiner Hauptdisziplin, dem Schlappseil, unterrichtete. Sie waren sehr gelehrige Schüler*innen und wollen Schlappseil nun auch in ihr Programm aufnehmen. Danach ging es wieder an die unterschiedlichen Circus-Geräte mit der Vorgabe: jede*r bringt jemandem aus dem anderen Land ein neues Kunststück bei, jede*r lässt sich etwas Neues beibringen. Das hat sehr gut funktioniert. Nach dem Mittagessen legten wir alle eine halbstündige Mittagspause ein, in der einige sogar etwas Schlaf nachholten. Danach führten wir die Gäste in unsere „Lange-Matte“- Routine ein und machten mit 60 Leuten gleichzeitig Bodenakrobatik. Nach einer Kuchenpause begannen wir in deutsch-schwedischen Kleingruppen Pyramiden zu bauen, die immer eine Vorgabe zu erfüllen hatten: die niedrigste Pyramide, eine Pyramide, die wie eine Pyramide aussieht, eine, die wie eine Blüte aussieht, eine, die sich fortbewegt… Das regte die Kreativität aller an und führte dazu, dass man sich zwangsläufig auch noch mehr miteinander auseinandersetzen und unterhalten musste. Schön war es, dass gerade diejenigen, die anfangs noch skeptisch waren, dieses „Zusammenwerfen“ später sehr gut fanden und zugaben, dass sie ohne diese Anregung nie so sehr auf die anderen zugegangen wären. Es herrschte nun endgültig ein wundervolles bikulturelles Miteinander. In der letzten Trainingsphase des Tages konnten so auch schon ganz selbstverständlich kleine deutsch-schwedische Nummern geprobt werden. Nach dem Abendessen waren wir froh, bei einer Abendrunde durch Karlshof etwas frische Luft schnappen zu können. Bei der anschließenden Singerunde sangen die Schwed*innen auch schon die deutschen Lieder mit und den Charivaris kam das schwedische „Vem kan seglar“ schon recht gekonnt über die Lippen.

Am Sonntag Morgen vertrieben wir die schon deutlich vorhandene Müdigkeit mit leckerem Frühstück, einem Spiel und fetzigem Warm-Up. Anschließend wurden immer in deutsch-schwedischen Teams Nummern geprobt für die anschließende „Open Stage“. Es war äußerst bemerkenswert, wieviel alle in der kurzen Zeit gelernt hatten, wie gut alle anfängliche Schüchternheit oder Berührungsängste überwunden hatten und wie souverän deutsche und schwedische Circus-Schüler*innen miteinander auftraten. Außenstehende konnten ohnehin schon längst nicht mehr erkennen, wer hier deutsch oder wer schwedisch war. Viele der Cirkusskola-Leute trugen Charivari-Pullis, viele der Charivaris trugen Malmö-Hosen, und alle sprachen englisch. Viel zu schnell verflog die Zeit. So blieb am Ende nur noch Zeit für ein Lieblingsspiel (Blood Potatoe), zwei Lieblingslieder („Against the Tide“ und „Vem kan seglar“) und einen Lieblingstanz (Cotton Eye Joe). In der Feedback-Runde wurde ausnahmslos dafür plädiert, so ein Camp im nächsten Jahr wieder stattfinden zu lassen. Viele tauschten Handynummern aus und versprachen, in Kontakt zu bleiben. Im Herbst wird unsere Projektgruppe drei Vorstellungen in Malmö geben und in der Cirkusskola gemeinsam mit den Schwed*innen trainieren, und wenn Ihr im Februar nächsten Jahres in den Fluren unseres Vereinsheims wieder feinsäuberlich aufgereihte Straßenschuhe seht, dann wisst Ihr, sie sind wieder da: unsere Freund*innen von der Cirkusskola Malmö. Seid so nett, und sagt ihnen „Varmt Välkomna!“

Trix Langhans

Bilder von Lilli Zoschke

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Charivaris und Kigamboni- eine neue Circus- Freundschaft

Seit vielen Jahren unterhält unser Circus eine Partnerschaft mit den Nafsi Africa Acrobats. Im September sollten sie zum ersten Mal nach der langen Corona-Zeit wieder unsere Gäste sein. In wochenlanger Arbeit hatten wir ein Programm ausgearbeitet und Finanzanträge gestellt, die Einladung geschrieben, die Tour für die fünf kenianischen Artist*innen geplant. Über den Paritätischen Landesverband erhielten wir Landesmittel aus dem Programm „Aufholen nach Corona“, und auch die Drägerstiftung gab Fördermittel für dieses vielversprechende Projekt. Alles war vorbereitet, doch dann scheiterte unser Vorhaben an der restriktiven Ausländerpolitik unseres Landes. Die Einladung, der Nachweis der Fördermittel und des ausgearbeiteten Programms reichten nicht aus, gefordert wurde eine Verpflichtungserklärung, mit der wir fünf Jahre lang für alle Eventualitäten hätten haften müssen, und der zweite Vorsitzende unseres Fördervereins sollte gar als Bürgschaft den Kaufvertrag seines Eigenheims zum Termin bei der Ausländerbehörde mitbringen. Da dies natürlich absolut unzumutbar war und die Botschaft in Nairobi ohne diese Dokumente die Ausgabe der Visa verweigerte, waren unsere langjährigen kenianischen Freunde gezwungen, die Flüge wieder zu stornieren und auf ihre lange geplante Tournee zu verzichten.

Wir wiederum hatten ein komplett ausgearbeites und finanziertes deutsch-afrikanisches Begegnungsprojekt …ohne afrikanische Artisten. Durch einen glücklichen Zufall ließ die von mir kontaktierte Kinderkulturkarawane, über die wir zuletzt 2019 die Nafsi Africa Acrobats eingeladen hatten, verlauten, dass sie zwar so kurzfristig die Nafsis nicht einladen könnten, dass sie aber im selben Zeitraum noch Gastgeber für eine Gruppe aus Tansania suchten.

So kamen wir nach all den Aufregungen in die sehr glückliche Situation, neun Tage lang Gastgeber zu sein für sechs Artist*innen des Kigamboni Community Center aus Dar es Salaam/ Tansania. Wir erlebten ein bewegendes und bereicherndes Begegnungsprojekt, das für viele unserer Kinder und Jugendlichen mit Sicherheit nachhaltig prägend war.

Das Projekt begann mit zwei Vorstellungen am 18. und 19. September in unserer Arnold Falk Halle. Den ersten Teil unseres Programms gestalteten sechs unserer Charivaris, die an beiden Tagen die vollbesetzte Halle zum Toben brachten. Ob mit Diabolo oder Keulen, am Luftring, auf dem gespannten Seil oder mit Einrad und Leiter auf dem hohen Schlappseil, die sechs Charivaris sorgten für Begeisterungsstürme und ausgelassene Freude. Nach einer kurzen Pause dann das Kontrastprogramm: die sechs tansanischen Artist*inen transportierten ein Stück Lebensrealität und zeigten uns, dass Circus auch ernste und bedrückende Themen eindrucksvoll auf die Bühne bringen kann. Ein Vater kann seine Familie nicht mehr versorgen und muss in die Fremde ziehen, um dort Geld aufzutreiben. Der Sohn fehlt zu oft in der Schule und wird daraufhin von der Schule ausgeschlossen, doch ohne Bildung hat er erst recht keine Zukunft.Die Mutter ist schwanger und droht ohne medizinische Versorgung zu sterben. Harte, beklemmende und realistische Themen, die die jungen Artist*innen äußerst eindringlich und überzeugend auf die Bühne brachten. Gottseidank endet das Stück gut, der Mutter wird geholfen, der Vater kehrt zurück und sie alle feiern das Leben mit noch einmal spektakulärer Akrobatik und temperamentvollem Tanz.

Auch die jungen Artist*innen selber haben glücklicherweise dank des Kigamboni Community Centers, einer großen kirchlichen Einrichtung in Dar es Salaam, bessere Lebensperspektiven bekommen. Und so wurde vom begeisterten Publikum freudig gespendet für dieses großartige Projekt. Eine weitere Vorstellung fand in der Geschwister Prenski Schule statt, im Anschluss konnten hunderte von Schüler*innen Fragen stellen und Spannendes erfahren über die tansanischen Gäste. In Zusammenarbeit mit dem Verein „Kultur im Quartier“ gaben die Kigamboni-Künstler*innen am Wochenende darauf auch noch zwei Open-Air-Vorstellungen auf dem Kücknitzer Kirchplatz und im Lunapark. Auch hier gab es frenetischen Applaus.

Für unsere Charivaris war es großartig, dass die Kigambonis vier Nachmittage lang Workshops bei uns gaben. Zum einen konnten sie die auf der Bühne erlebten Artist*innen so noch viel näher kennenlernen, zum anderen konnten sie in kürzester Zeit ganz viel Neues lernen. Ein Hauch von Afrika wehte die ganze Woche lang durch unsere Hallen, und alle Charivaris lernten afrikanischen Tanz, trauten sich viel mehr zu als je zuvor in der Bodenakrobatik und bauten gemeinsam mit den Kigambonis die höchsten Menschenpyramiden. Eine sehr ergreifende Feedbackrunde ( Englisch-Deutsch-Suaheli) am letzten Tag zeigte uns einmal mehr, wie wichtig gerade in den heutigen Zeiten solche Begegnungsprojekte sind. Alle haben etwas für sich mitgenommen, jede*r einzelne war inspiriert durch die Begegnung, wir konnten voneinander und miteinander lernen, und es sind Freundschaften entstanden.

Ein besonderer Dank gilt allen Gastfamilien, die die sechs Kigamboni und ihren österreichischen Tourbegleiter so liebevoll bei sich aufgenommen haben.

Wir sind nun um eine Circus-Freundschaft reicher, die gleich dadurch vertieft wird, das wir Kassim, einen der Artisten, der nun ein Freiwilligen-Jahr in Salzgitter absolviert, für das Probenwochenende der Projektgruppe engagieren können. Einer unserer Charivaris möchte im nächsten Jahr nach seinem Abitur nach Tansania reisen. Andere schreiben sich jetzt intensiv mit den tansanischen Jugendlichen.

Natürlich hoffen wir, dass die ganze Gruppe einmal wieder kommen wird. Und auch, dass es irgendwann eine Chance gibt, auch die Nafsi Africa Acrobats aus Kenia wiederzusehen.

Die Mauern in unseren Köpfen können nur eingerissen werden, wenn wir Begegnungen zulassen und ermöglichen. Der Angst vor Überfremdung kann nur entgegen gewirkt werden, wenn wir die Fremden kennenlernen. Nichts erweitert den Horizont so sehr wie ein Blick über den Tellerrand.

Ich bin froh und dankbar, dass wir allen Widrigkeiten zum Trotz solch ein Projekt auf die Beine stellen konnten und bin stolz auf die Charivaris, die ihre Häuser, ihre Halle und vor allem ihre Herzen geöffnet haben für Kassim, Najma, Emilias, Magret, Shafi und Richard. Für Menschen, die uns fremd waren und es heute nicht mehr sind.

Trix Langhans

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Karibu!

Das Wort „Karibu“ ist Suaheli und bedeutet „Willkommen“.
Willkommen heißen Sie und Euch am 16 und 17. September die Projektgruppe des Circus Charivari und das Kigamboni Community Center aus Tansania.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Circus Charivari treten zwei Seiltänzer*innen auf dem hohen Schlappseil auf, auch Luft-und Jonglage-Nummern werden präsentiert. Und dann heißt es „Manege frei“ für unsere Gäste aus Dar es Salaam in Tansania. Sechs junge Artist*innen im Alter von 15 bis 23 Jahren werden einen Hauch von Afrika in die Arnold Falk Halle zaubern und uns mit spektakulärer Akrobatik, temperamentvollen Tänzen und mitreißenden Trommelklängen in ihren Bann schlagen.
Eine solidarische, unterstützende und kreative Welt ohne Armut” – diese Vision vor Augen gründeten Festo, Rashid, Nassoro und George 2007 das Gemeindezentrum in Kigamboni. Die Vier mussten selbst ihre Kindheitserfahrungen durch Armut und fehlende Bildungschancen verarbeiten. Die Gemeinde half den jungen Männern dabei, ihre Probleme zu überwinden. Deshalb beschlossen sie, der Kommune etwas zurückzugeben. Mit dem Ziel, Armut durch soziale, kulturelle und wirtschaftliche Teilhabe zu bekämpfen, bietet das Kigamboni Community Centre seitdem kostenlosen Schulunterricht und kulturelle Bildungsprogramme an. Die vielfältigen Talente von Kindern und Jugendlichen aus der Region werden gefördert, um ihre Chancen auf ein selbstständiges Leben zu erhöhen.
Sechs von ihnen reisen in diesem Herbst im Rahmen der Kinderkulturkarawane nach Deutschland und werden für neun Tage unsere Gäste sein. Neben ihren spektakulären Shows, die immer auch Theaterelemente enthalten und Umweltthemen und soziale Themen visualisieren, werden die Kigambonis in all unseren Circus-Gruppen auch Akrobatik-und Tanzworkshops geben.
Bei den beiden großen gemeinsamen Galas am 16. und 17.9. jeweils um 16 Uhr in der Arnold Falk Halle sammeln wir beim Austritt Spenden für das Kigamboni Community Center, einen Ort der Hoffnung, der Resozialisierung und der Lebensfreude in Dar es Salaam.
Wir freuen uns auf viele begeisterte Zuschauer*innen und sagen „Karibu“ und „Manege frei“ für die Charivaris und ihre tansanischen Gäste.

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